Der Kampf um Befreiung ist international
::Roj Bas Guerilla::
Vor 25 Jahren, am 15. August 1984, besetzten Guerillaeinheiten der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) vorübergehend die Städte Eruh und Semdinli in den kurdischen Regionen Botan, Hakkari und Van und erklärten den Beginn des bewaffneten Kampfes gegen den türkischen Staat. Seitdem hat sich die kurdische Befreiungsbewegung, trotz vieler Rückschläge, zu einer der stärksten emanzipatorischen Kräfte im Nahen Osten entwickelt. Neben einer immer noch schlagkräftigen Guerilla, verfügt die kurdische Linke im Jahr 2009 über ein breites Netzwerk sozialer Basisinitiativen, Frauenorganisationen, Medien und einer noch legalen Partei. Statt einen sozialistischen kurdischen Nationalstaat schaffen zu wollen, kämpft die kurdische Linke heute für eine demokratisch-ökologische Zivilgesellschaft im Nahen Osten, die keine Staatsgründung zum Ziel haben soll, sondern die Abschaffung des Staates und aller Hierarchien.
Eine zentrale Bedeutung innerhalb der kurdischen Befreiungsbewegung hat der Kampf für die Befreiung der Frau von patriarchaler Unterdrückung und feudaler Zwangsstruktur. Die »Revolutionierung der Geschlechterverhältnisse« wird als Voraussetzung für eine freie und selbstbestimmte Gesellschaftsordnung verstanden. Die kurdische Frauenbewegung setzt auf die Selbstorganisation der Frau und umfasst eigene Initiativen, Parteien und Guerillaverbände. Die Beteiligung von Frauen am bewaffneten Kampf ist außerordentlich hoch. Durch die extrem patriarchalen Verhältnisse, in der noch vorwiegend durch feudale Clanstrukturen geprägten kurdischen Gesellschaft, sehen viele junge Frauen die Guerilla als einzige Möglichkeit einer frühen Zwangsverheiratung und einem Leben in Abhänigkeit, Armut und totaler Bevormundung zu entgehen.
::Türkei Terrorist::
Die kurdische Bevölkerung in der Türkei hat jahrzehntelange Erfahrung mit staatlicher Repression. Seit der Republikgründung gehört die Unterdrückung und Verleugnung der Kurd_innen und anderer Minderheiten zur Staatsräson.Schon in den 1930er Jahren wurden die ersten Aufstände kurdischer Stämme blutig niedergeschlagen. Nach dem Militärputsch 1982 wurden zehntausende kurdische Aktivist_innen verhaftet, ermordet oder flüchteten ins europäische Exil. Auf den bewaffneten Kampf reagierte der türkische Staat mit einem offenen Krieg gegen die kurdische Bevölkerung. Um der PKK die soziale Basis zu nehmen, zerstörte das Militär in den 90er Jahren über 6.000 Dörfer und entvölkerte systematisch eine ganze Region. Über 40.000 Menschen kamen dabei ums Leben. Staatliche Repression ist auch heute Alltag in Kurdistan. Türkische Militärflugzeuge bombardieren regelmäßig Dörfer in der Grenzregion zum Irak, in der Guerillaverbände vermutet werden. Immer wieder schießen Polizei- und Militäreinheiten auf linke Demonstrationen und töten wahllos Menschen. Im Anschluss an den Wahlerfolg der DTP bei den Kommunalwahlen im März wurden über 500 kurdische Aktivist_innen aus legalen Organisationen wegen angeblicher »PKK-Aktivitäten« verhaftet.
::Kriegspartei Deutschland::
Die BRD unterstützt den Krieg in Kurdistan. Anfang der 90er Jahre machte sie der Türkei die militärischen Bestände der ehemaligen DDR-Streitkräfte zum Geschenk. Diese werden dort bis heute gegen die kurdische Bevölkerung eingesetzt. Mit dem PKK-Verbot 1993 wurden über Nacht zehntausende Kurd_innen in der BRD kriminalisiert. 1994 erschoss die Polizei in Hannover den kurdischen Jugendlichen Halim Dener beim Plakatieren. Im letzten Jahr verbot Innenminister Wolfgang Schäuble den kurdischen Fernsehsender »ROJ TV«. Kurdische Demonstrant_innen in der BRD werden regelmäßig Opfer polizeilicher Übergriffe.
Die Kriminalisierung der Strukturen linker Migrantenorganisationen, insbesondere aus der Türkei hat sich in letzter Zeit verstärkt. Dabei wird vor allem der Paragraph 129b angewendet, der die Mitgliedschaft, Unterstützung und Werbung für eine so genannte »terroristische« Vereinigung im Ausland unter Strafe stellt. Bei ihrem Vorgehen gegen türkische und kurdische Strukturen arbeiten die deutschen Behörden zudem eng mit dem türkischen Staat und Geheimdienst zusammen. Dass in der Türkei nach wie vor gefoltert wird, Demonstrationen brutal angegriffen werden und seit 1980 mehr als 2000 Menschen »verschwunden« sind, scheint dabei nicht zu stören.
All das hat Geschichte: Seit über 100 Jahren ist die Türkei ein wichtiger ökonomischer und militärischer Partner Deutschlands. So stellte, anlässlich des Massakers an der armenischen Bevölkerung im ersten Weltkrieg, der Abgeordnete Karl Liebknecht eine Anfrage an das Parlament: »Ob der Reichsregierung bekannt sei, dass im verbündeten türkischen Reich die armenische Bevölkerung während des Krieges zu Hunderttausenden (...) niedergemacht worden sei?« Die Regierung antwortete: »Durch aufrührerische Umtriebe unserer Gegner veranlasst, wurde die armenische Bevölkerung bestimmter Gebietsteile des türkischen Reiches ausgesiedelt und ihr neue Wohnstätten angewiesen«. Als daraufhin Liebknecht von Massakern zu berichten begann, wurde ihm das Wort entzogen.
::und wir?::
Die radikale Linke scheint sich im Gegensatz zu den deutschen Repressionsorganen wenig für die gesellschaftlichen Prozesse und sozialen Kämpfe in den kurdischen Gebieten der Türkei zu interessieren. Und das, obwohl es in der BRD eine große linke kurdische Exilcommunity gibt, die mit Demonstrationen und Großveranstaltungen regelmäßig auf die Lage in den kurdischen Gebieten und die staatliche Repression in Deutschland aufmerksam macht. Als Gründe für das Nicht-Verhalten führen viele radikale Linke den Nationalismus der PKK und den Personenkult um den inhaftierten PKK-Vorsitzenden Abdullah »Apo« Öcalan an. Obwohl diese Kritiken ihre Berechtigung haben, rechtfertigen sie nicht das Schweigen derradikalen Linken gegenüber dem Staatsterror gegen Kurd_innen hier in der BRD und der deutschen Unterstützung des Krieges in der Türkei. Denn wir sind Teil einer weltweit um Befreiung kämpfenden Linken und obwohl wir uns der ideologischen Zersplitterung,der Widersprüche und der Ungleichzeitigkeit der Befreiungsprozesse bewusst sind, setzen wir unsere politische Praxis in Zusammenhang mit fortschrittlichen Bewegungenüberall auf der Welt. Deshalb ist für uns die Solidarität mit der kurdischen Befreiungsbewegung – bei aller Kritik an ihrer Ideologie und Praxis – wichtig. Und wir möchten auch ein Zeichen setzen gegen den faschistischen Terror der Bozkurt (Graue Wölfe). Mit einem kämpferischen linksradikalen Block auf der kurdischen Demonstration am 15. August wollen wir diesem Verständnis von internationaler Solidarität und globalem Klassenkampf Ausdruck verleihen.
Die Verhältnisse zum Tanzen bringen – von Berlin bis Dyarbarkir! Zusammen Kämpfen für die soziale Revolution – weltweit!