GÜZ markieren blockieren sabotieren
In den frühen Morgenstunden am 15. September 2012 machten sich hunderte antimilitaristische AktivistInnen auf, das Gefechtsübungszentrum (GÜZ) in der Altmark bei Magdeburg zu entern, um den Kriegsübungsbetrieb zu sabotieren. Weder eine riesige Demonstrationsverbotszone noch eine Armada von 500 Feldjägern, mehr als 1000 Polizisten aus fünf Bundesländern und der Bundespolizei konnten verhindern, dass hunderte AntimilitaristInnen auf das militärische Gebiet gelangten. Es wurden Transparente angebracht, antimilitaristische Parolen gesprüht, Militärmanöver unterbrochen, Blockaden errichtet und Schilder beklebt. Zahlreiche Gebäude sowie ein Panzer im Manöver wurden mit Farbe markiert.An den Erfolg von letztem Jahr gilt es anzuknüpfen. Wir rufen deshalb alle AntimilitaristInnen auf, sich auch 2013 vom 21. bis 29. Juli wieder am internationalen »WarStartsHere-Camp« in der Altmark zu beteiligen. Gemeinsam wollen wir über Ursachen, Logik und Methoden der sich verschärfenden Militarisierung und über die imperialistische Politik, insbesondere der BRD, diskutieren. Und wieder soll ganz konkret der Kriegsübungsbetrieb der Bundeswehr und der Nato lahmgelegt werden.
Das GÜZ, der modernste Truppenübungsplatz Europas befindet sich in der schönen Colbitz-Letztlinger Heide in der Altmark. Auf einem 230 Quadratkilometer großen Gelände üben dort alle Bundeswehr- und KFor-Einheiten, die nach einem 14-tägigen Training direkt zu Auslandseinsätzen nach Afghanistan oder in den Kosovo geschickt werden. Terrorismusbekämpfung, Crowd-and-Riot-Control, Boden-Gefechtsübungen und vieles mehr werden in nachgebauten Dörfern mit nachgestellten Szenen und SchauspielerInnen simuliert und trainiert.
Aktuell wird eine Übungsstadt gebaut, mit etwa 500 Häusern, Armutsbezirken, Industriegebieten, U-Bahn-Tunneln und Flüssen. Die Kulissenstadt namens Schnöggersburg wird für etwa 100 Millionen Euro errichtet. Hier soll die militärische Niederschlagung von Aufständen in Großstädten geprobt werden. Das ist die Antwort der imperialistischen Armeen auf die kommenden sozialen Konflikte, die in der weltweiten Krise des kapitalistischen Systems aufbrechen.
Das GÜZ steht als private Dienstleistung des größten deutschen Rüstungskonzerns Rheinmetall auch den gesamten NATO-Staaten, den europäischen »Battlegroups« und der europäischen militärischen Polizeitruppe, den European Gendarmerie Forces, zur Verfügung. Schon die Wehrmacht hat das Areal des heutigen GÜZ ab 1935 genutzt.
Militarisierung der Gesellschaft
Auch wenn das GÜZ nur ein Ausschnitt des weit in die Gesellschaft hineinwirkenden militärpolitischen Komplexes ist, so ist es doch ein wichtiger Knotenpunkt im Aufstieg der Bundesrepublik zu einer Militärmacht im globalen Krieg um Macht und Ressourcen. Die sich selbst einst als Verteidigungsarmee verstehende Bundeswehr wurde und wird umstrukturiert in eine hochmobile Angriffsarmee für den Einsatz in allen Regionen der Welt, die für das deutsche Kapital von ökonomischem und machtpolitischem Interesse sind. Deutsches Militär, deutsche Geheimdienste, deutsche Polizei sind heute mächtige Akteure in den imperialistischen Kriegen um Ressourcen und geostrategische Positionen. Mal versteckt, wie bei der Zerstörung des Irak und Libyens, oder offen als Interventions- und Besatzungsarmee in Afghanistan oder als militärpolitische Strategen in Syrien und Mali.
Die Bundeswehr wird aber nicht nur als Interventionsarmee nach außen eingesetzt, sondern kann laut Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom August 2012 auch im Innern zum Einsatz kommen. Laut den Verteidigungspolitischen Richtlinien von 2011 umfassen die Aufgaben der Bundeswehr auch Beiträge zum »Heimatschutz«, das heißt zum Beispiel der »Schutz kritischer Infrastruktur« und der Einsatz bei innerem Notstand. Die Bundeswehr hat dazu neue Einheiten, die so genannten Regionalen Sicherungs- und Unterstützungskräfte (RSUKr) aufgestellt, die aus Reservisten bestehen. Der Einsatz der RSUKr-Einheiten kann im Rahmen der »Amtshilfe« zur Unterstützung der Polizei beim »Schutz ziviler Objekte«, zum »Schutz kritischer Infrastruktur« und bei der »Bekämpfung organisierter und militärischer bewaffneter Aufständischer« oder »widerstrebender« Bevölkerungsteile erfolgen.
Unser Alltag ist von Krieg und Militarismus durchsetzt, auch wenn viele das noch nicht bemerken. Die Bundeswehr gibt Millionen aus, um sich attraktiv zu machen. Sie zeigt sich im öffentlichen Raum mit ihren Karriere-Trucks, mit Konzerten, mit »Tagen der offenen Tür«, sie wirbt auf Jugend- und Berufsmessen, steht vor den Jobcentern, macht Kongresse, Vorträge und Seminare an Schulen und Unis sowie öffentliche Flug- und Waffenshows. Der Militarismus soll in allen signifikanten gesellschaftlichen Bereichen verankert werden. In Forschung, Kultur, in den Medien, den kommunalen Strukturen und in der Bildung. Das »Werben fürs Sterben« richtet sich vor allem an Jugendliche mit schlechten beruflichen Möglichkeiten und macht auch vor Kindern nicht halt. So treiben wachsende Armut und verschärfte Ausbeutung viele Jugendliche in die Arme des Militärs, wo ihnen vorgegaukelt wird, für die Demokratie oder die Freiheit zu kämpfen. Wer sich vereinnahmen lässt, muss für die Profitinteressen der Konzerne töten oder sich töten lassen. Es gilt also schon hier mit dem konkreten Widerstand zu beginnen.
Waffenexporte und Unterstützung reaktionärer Regime
Auch mit Hilfe von Waffenexporten soll der deutsche Einfluss auf bestimmte strategisch wichtige Regionen ausgebaut werden. Im Februar 2012 stellte die Bundesregierung unter dem Titel »Globalisierung gestalten – Partnerschaften ausbauen – Verantwortung teilen« ein neues außenpolitisches Konzept vor. Darin wird die Kooperation mit so genannten »Gestaltungsmächten« hervorgehoben, die militärisch aufgerüstet werden sollen. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf dem Persischen Golf, einer der geostrategisch bedeutsamsten Regionen der Welt, da die angrenzenden Staaten über riesige Erdöl- und Erdgasvorkommen verfügen. Außerdem befindet sich dort die Straße von Hormus, die ein Nadelöhr für die weltweite Energieversorgung darstellt. Durch diese Meerenge zwischen dem Oman und dem Iran werden täglich 17 Millionen Barrel Rohöl transportiert, was rund 35 Prozent des weltweit auf See transportierten Erdöls entspricht.
Während die bürgerlichen PolitikerInnen und die bürgerlichen Medien die Phrasen von der Verteidigung der Demokratie und der Menschenrechte, von Friedenseinsätzen und Antiterrorkampf wie ein Mantra herunterbeten, rüstet Deutschland die reaktionärsten Regime in den Krisengebieten auf. Die Panzerlieferungen nach Saudi-Arabien und Katar zeigen die ganze Perfidie des Konzeptes. Es macht völlig klar, dass es weder um Demokratie noch um Menschenrechte geht, sondern um den Einfluss Deutschlands auf die Nahostregion. Saudi-Arabien und Katar, sind erzreaktionäre, patriarchale Diktaturen, in denen Frauen und MigrantInnen als Menschen zweiter Klasse gelten und nahezu ohne Rechte sind. Es sind fundamentalistisch religiöse Regime, in denen Fanatiker und »Gotteskämpfer« ihre Basen haben und welche von den herrschenden Scheichs unterstützt werden in ihrem »heiligen Krieg« gegen alle säkularen fortschrittlichen Kräfte in der arabischen Region.
Aber es sind reiche Monarchien mit riesigen Ölvorkommen. Das ist ein Grund, warum sich Deutschland zum Verbündeten macht. Die Herrschenden in der BRD wollen, dass die Golfmonarchien stabil bleiben und befähigt sie militärisch innerhalb der Golfstaaten für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Das heißt: innere Aufstände niederzuschlagen – wie geschehen in Bahrain. Darüber hinaus soll mit Saudi-Arabien als stärkste »Gestaltungsmacht« in der Golfregion ein hochgerüsteter Gegenpol zum Iran aufgebaut werden. So nimmt Deutschland mit der Rüstungspolitik gezielt Einfluss und heizt die Konflikte an.
Imperialismus bekämpfen …
Die Kriegseinsätze der Bundeswehr sind seit 1999 immer zahlreicher geworden. Aktuell befinden sich etwa 6100 Soldaten im Auslandseinsatz. In Afghanistan sind momentan bis zu 4178 Bundeswehrsoldaten stationiert. Offiziell läuft die ISAF-Mission zwar 2014 aus, ein Ende der Besatzung ist jedoch nicht abzusehen. Es sollen vielmehr auch nach 2014 Soldaten der Nato in Afghanistan verbleiben, da die imperialistischen Staaten nicht die Kontrolle über eine der wichtigsten Regionen für den Transport von Erdöl und Erdgas aus Zentralasien verlieren wollen.
Die BRD ist jedoch nicht nur durch den Einsatz deutscher Soldaten, durch Waffenlieferungen und militärische und geheimdienstliche Ausbilder weltweit an Krieg und Repression beteiligt. Durch das Eucom und das Africom, zentrale Kommandostellen der US-Streitkräfte, wird auch den unzähligen militärischen Interventionen der USA eine wichtige Infrastruktur zur Verfügung gestellt.
Seit dem Ende des Kalten Krieges strebt Deutschland verstärkt nach einer Führungsrolle in Europa. Als exportorientiertes Land sind die Sicherung von Märkten, der reibungslose Warenaustausch sowie der Zugang zu Rohstoffen von zentraler Bedeutung für das deutsche Kapital. Die BRD setzt dabei auf den Ausbau der militärischen Handlungsfähigkeit der EU. Schritt für Schritt wurde die EU-Militärmacht aufgebaut. Die EU betreibt eine verstärkte Vereinheitlichung des europäischen Rüstungssektors und die kontinuierliche Ausweitung ihrer militärischen Kapazitäten. Außerdem schafft sie sich mittels der neoliberalen Umstrukturierung der Nachbarländer wirtschaftlich von ihr abhängige Einflusszonen. Der ehemalige Verteidigungsstaatssekretär Friedbert Pflüger brachte 2010 die imperiale Strategie der EU auf den Punkt: »Die EU muss den Anspruch erheben, im Bereich Energie und Rohstoffe als Global Player aufzutreten. Es reicht nicht, in Lateinamerika oder Afrika Gender-Projekte zu finanzieren oder Seminare zur kommunalen Selbstverwaltung zu finanzieren. Vielmehr muss die EU lernen, ihre Interessen auf den Schauplätzen der Welt zu definieren und durchzusetzen.«
Die EU und die USA sind zum einen erbitterte Konkurrenten auf dem Weltmarkt, zum anderen aber auch Verbündete bei der Durchsetzung ihrer gemeinsamen Interessen, das heißt innerhalb der Sicherstellung von optimalen Bedingungen der Kapitalverwertung überall auf der Welt. Für den Großteil der Weltbevölkerung bedeutet die Durchsetzung der Interessen des westlichen Kapitals Armut, Krieg, mangelnden Zugang zu Trinkwasser, die Ausplünderung der Bodenschätze oder Vertreibung. Widerstand gegen diese Verhältnisse wird mit brutaler Gewalt beantwortet – von hochgerüsteten reaktionären Regimes, fundamentalistischen Terrorbanden oder direkt durch militärische Interventionen der Nato-Staaten. In nahezu jedem Fall aber mit Waffen und Know-how aus Europa oder den USA. Mit den BRIC-Staaten sind zudem neue Akteure im globalen Kapitalismus erschienen, die zunehmend mit den alten kapitalistischen Mächten um Märkte, Rohstoffe und Einflussbereiche konkurrieren – mal können fortschrittliche Kräfte hierdurch profitieren, mal werden sie dadurch noch weiter aufgerieben.
… heißt Kapitalismus abschaffen
Krieg und Kapitalismus sind untrennbar verbunden. Dem Antrieb dieses Systems, Profite zu erwirtschaften und die Privilegien der Wenigen, die über die Produktionsmittel bestimmen, zu erhalten und auszubauen, muss zwangsläufig alles andere untergeordnet werden. Imperialistische Kriege gehören ebenso zu den Konsequenzen, wie die Steigerung der Ausbeutung durch Lohnkürzungen und Arbeitszeitverlängerungen oder die Umstrukturierung sämtlicher gesellschaftlicher Bereiche nach Verwertungsinteressen des Kapitals.
Eine lebenswerte Zukunft ist in einem solchen System nicht möglich, einem System in dem heute weltweit jährlich mehr als 1000 Milliarden Euro für Rüstung und Militär ausgegeben werden – Zweidrittel davon in den USA und der EU – während nur 175 Milliarden Euro nötig wären um weltweit Bildung, Gesundheits- und Wasserversorgung für alle Menschen sicherzustellen; einem System in dem die Schere zwischen reich und arm täglich weiter auseinanderklafft und die Antwort der herrschenden Klasse auf die daraus resultierenden Probleme Gesetzesverschärfungen und der Ausbau der staatlichen Überwachung sind. Unsere Zukunftsperspektiven sind nicht die Vergeudung von Ressourcen für Krieg und Besatzung, nicht gesteigerte Ausbeutung für die einen und Arbeitslosigkeit für die anderen, nicht Reichtum für eine kleine Schicht und Armut für viele und nicht die hemmungslose Zerstörung der Umwelt für Profitinteressen. Eine andere Welt, in der selbst über Arbeitsbedingungen und alle Bereiche des Lebens entschieden werden kann und dies nicht den Charaktermasken des Kapitals überlassen wird, ist längst möglich. Um diese Welt zu schaffen ist viel nötig – neben den Aktivitäten gegen Krieg und Aufrüstung auch der gemeinsame Kampf gegen Sexismus und Rassismus, das Eintreten gegen die Gefahr des Faschismus, gegen immer weitere Angriffe auf unsere Rechte am Arbeitsplatz und gegen die staatliche Aufrüstung nach Innen und Außen. Letztlich müssen die vielen einzelnen Kämpfe aber zusammengeführt werden, in die Offensive kommen und in einer starken Organisierung münden, die sich mit nicht weniger zufrieden gibt, als dem Umsturz der herrschenden kapitalistischen Verhältnisse und dem Aufbau einer befreiten, einer kommunistischen Gesellschaftsordnung.
Beim Camp werden wir gemeinsam mit vielen AntimilitaristInnen den Kriegstreibern ein starkes »No war, No Nato, No capitalism!« entgegensetzen.