Arbeitskampf auf eigene Faust – 40 Jahre »Septemberstreiks«
Wenn die Profite einbrechen, bekommen das zuerst die Beschäftigten zu spüren. In der Wirtschaftskrise sehen sich die Konzerne gezwungen, ihre Stellung auf dem Weltmarkt zu behaupten und auszubauen – auf Kosten der Belegschaften. Nicht nur in der Bundesrepublik, sondern rund um den Globus verschärfen sich die Angriffe auf den Lohn, die Arbeitsbedingungen und die sozialen Sicherungssysteme. Zugleich wächst das Heer der Erwerbslosen und schürt die Angst vor dem sozialen Abstieg – Rausschmiss, Arbeitsamt, Hartz IV.
Zur Wut auf die Selbstherrlichkeit der Konzernchefs und -manager gesellt sich in vielen Belegschaften deshalb die Furcht vor der Vernichtung von Arbeitsplätzen oder des gesamten Standortes. Die KollegInnen hoffen, dass ihre Gewerkschaft das Schlimmste abwenden kann.
Die Gewerkschaftsvorstände und die Betriebsratsspitzen verharren in den Grenzen der traditionellen Tarifpolitik. Eine Perspektive sehen sie nur in der Zusammenarbeit mit den Unternehmensführungen – »wir sitzen alle im selben Boot«. Die Zugeständnisse bei Lohn- und Arbeitsbedingungen und den »sozialverträglichen« Abbau von Arbeitsplätzen betrachten sie als ihren Beitrag zur Rettung von Betrieben und Standorten. Ob diese Rechnung aufgeht, das können weder Betriebsräte noch Gewerkschaftsinstanzen garantieren oder wirklich beeinflussen.
Die Belegschaften vertrauen in ihrer Mehrheit noch den aus vergangenen Jahrzehnten bekannten Instrumenten und Methoden sozialpartnerschaftlicher Interessenvertretung. Sie folgen – wenn auch zunehmend skeptischer – ihren Gewerkschaftsvorständen. Das war nicht immer so.
Im September 1969 erfasste eine Welle spontaner Arbeitskämpfe die BRD. Die Streikwelle begann in der Stahlindustrie, dehnte sich aber auch auf andere Bereiche wie Bergbau, Metallverarbeitung und Schiffsbau aus. Über 140 000 Menschen beteiligten sich bundesweit an den Streiks, in denen es zumeist um die Durchsetzung einer Festgeldforderung ging.
Auslöser der Streikwelle war die Unzufriedenheit mit den Tarifabschlüssen durch die Gewerkschaften. Deren Vorstände setzten in der ersten Nachkriegsrezession von 1966/67 auf Zurückhaltung bei den Lohnabschlüssen. Sie handelten 1968 nur geringe Erhöhungen aus, die übliche Laufzeit des Tarifvertrages wurde von 12 auf 18 Monate ausgedehnt. Vom Aufschwung, der 1969 einsetzte, kam bei den ArbeiterInnen nichts an. Da die Gewerkschaften, gebunden an die »Friedenspflicht«, auf den wachsenden Unmut nicht reagierten, nahmen die Belegschaften vielerorts den Kampf in die eigenen Hände.
Die gesellschaftliche Unruhe – Stichwort Studentenbewegung 68 – erfasste auch Teile der Arbeiterjugend und der Auszubildenden. Mit den Septemberstreiks schlug sie sich erstmals in den Betrieben nieder. Eine weitere Welle wilder Streiks fand Anfang der 70er Jahre unter starker Beteiligung von ArbeitsemigrantInnen (aus Italien, Spanien, Griechenland, Jugoslawien, der Türkei usw.) statt. Es war zugleich die Zeit, in der Betriebsgruppen der vielfältigen politischen Linken und oppositionelle Betriebsratslisten den sozialdemokratisch dominierten Gewerkschaftsapparaten und Betriebsräten Konkurrenz machten.
Es geht uns bei der Beschäftigung mit den historischen Streikwellen nicht allein um die Vermittlung vergangener Kämpfe, sondern auch um eine Debatte über die heutigen Ausgangsbedingungen für betriebliche Konflikte. In den Workshops wollen wir deshalb darüber diskutieren welche Erfahrungen von damals uns heute weiterhelfen können, die Unsicherheiten und Ängste in den Belegschaften und die hemmende Rolle der gewerkschaftlichen Apparate zu überwinden.
Veranstaltung
3. Oktober | 16 Uhr | Mediengalerie | Dudenstr. 10 | 10965 Berlin | U Platz der Luftbrücke
Referenten
- Peter Birke (Historiker, Universität Hamburg)
- Bonno Schütter (oppositioneller Betriebsrat, Klöckner-Hütte, Bremen)
- Peter Bach (Montagearbeiter am Band, 1973 bei Ford)
Workshops
4. Oktober | 11 Uhr | Haus der Demokratie und Menschenrechte | Greifswalder Straße 4 | 10405 Berlin | Tramlinie M4 oder Buslinien 200 und 240. Haltestelle ist jeweils »Am Friedrichshain«
Themen der Workshops
- Möglichkeiten und Grenzen einer klassenkämpferischen Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit
- Wie sind damals oppositionelle Betriebsgruppen entstanden und aufgebaut worden, wie sehen die Ausgangsbedingungen für eine kämpferische Organisierung heute aus?
- Unterstützungsmöglichkeiten durch außerbetriebliche politische Interventionen bei Streiks
Damit wir besser planen können, bitten wir alle, die Lust haben an den Workshops teilzunehmen, sich per klassenkampfblock@gmx.net anzumelden und mitzuteilen an welchem Thema besonderes Interesse besteht.
Veranstaltet vom Forum, Betrieb, Gewerkschaft und soziale Bewegung